Stefan Backs | 17. Juli 2022

Nolte meets Nübel

Laura Nolte ist aktuelle Olympiasiegerin im Zweier-Bob, startet für den BSC Winterberg und ist 23 Jahre alt. Alexander Nübel ist U21-Vize-Europameister im Fußball, spielt als Torwart derzeit für die AS Monaco und ist 25 Jahre alt. Beide sind Klienten unserer Agentur und für uns war es spannend zu erfahren, wo eigentlich Unterschiede und Gemeinsamkeiten dieser doch so verschiedenen Sportler liegen.
Herausgekommen ist ein – wie wir finden – spannendes und aufschlussreiches Doppel-Interview. Viel Spaß beim Lesen.

Was bedeutet euch Sport?

Nolte: Sport hat für mich eine unglaublich große Bedeutung. Sport ist für mich Lebensalltag, Leidenschaft, Emotionen, Miteinander. Außerdem bietet mir Sport die Möglichkeit, meine Grenzen zu erkennen und zu versuchen, diese zu überwinden.

Nübel: Ohne Sport wüsste ich nicht, wohin mit meiner Energie. Ohne Fußball, Mountainbike fahren, Wandern oder was auch immer für eine Art Bewegung, käme ich abends wahrscheinlich nicht zur Ruhe und wäre auch nicht so ausgeglichen. Ich brauche einfach Bewegung und das Gefühl, mich auszupowern.

Was zieht ihr aus dem Sport?

Nolte: Auf alle Fälle das Erleben von Emotionen. Im Sport gibt es Emotionen, die sind mit nichts im Leben vergleichbar. Da sind dann auch all die harte Arbeit und die vermeintlichen Entbehrungen vergessen.

Nübel: Die Erfahrung, immer weiter zu kommen, wenn man alles dafür gibt. Man will immer weiter kommen, alles aus sich heraus holen. So weit, wie es geht. 

Wie war euer Einstieg?

Nolte: Ich bin mit neun Jahren zur Leichtathletik gekommen. Zunächst in einem Verein in meinem Heimatort Unna, dann ab zwölf Jahren in Dortmund. Mit 14 Jahren ist ein Sprinttrainer auf mich aufmerksam geworden und hat mich motiviert, in Richtung Leistungssport zu gehen. Er hat mir sozusagen den endgültigen Kick gegeben. Mit 16 Jahren wechselte ich zum Bobsport.  

Nübel: Ich bin früh in einen Fussballverein gegangen, 2003 zunächst in Tudorf, meinem Heimatort, ab 2005 dann beim SC Paderborn. Mein Schritt Richtung Leistungssport kam eher schleichend. Mit 16 Jahren habe ich beim SC in der U19 gespielt, mit 17 war ich schon bei den Profis dabei. 

Wie gross ist der Faktor Besessenheit für einen Profisportler?

Nolte: Das ist ein grosser Faktor. Man muss lieben, was man macht. Man muss es mit Haut und Haaren wollen. Man muss sich körperlich und mental topfit halten und in unserem Fall muss man auch noch eine Art Mechanikerin werden und Detailverliebtheit im Umgang mit dem Material haben. Wir verbringen unzählige Stunden mit der Pflege der Kufen oder dem Testen des Bobs.

Nübel: Man sagt ja, dass Torhüter speziell sind. Aber zu viel Besessenheit ist aus meiner Sicht kontraproduktiv. Wenn ich mich zu sehr mit Gegentoren beschäftige, verliere ich den Fokus. Eine gewisse Lockerheit sollte bleiben und die behalte ich mir. Aber klar: Man muss lieben, was man tut und sich voll darauf einlassen.

Wie lange trainiert ihr pro Tag?

Nolte: Das ist bei mir unterschiedlich. Im Sommer ungefähr vier Stunden. Leichtathletik, Krafttraining und Physiotherapie zum Beispiel. In den Wintermonaten ist es mehr. Gerne bis zu sieben Stunden, denn dann kommt auch die Arbeit mit dem Material dazu. Ich trainiere normalerweise sechs Tage in der Woche.

Nübel: Zur Zeit vier Stunden täglich. Vorbereitung, Torwarttraining, Mannschaftstraining und Stabi-Übungen für Core und Arme zum Beispiel. Während der Saison ist es dann etwas weniger, vor allem, wenn man dauerhaft englische Wochen hat, was zwei Spiele pro Woche bedeutet. wir haben in der Regel einen Tag frei, oft genug allerdings nicht mal das.

Wo liegt für euch der Unterschied zwischen normalen Sport und Leistungssport?

Nolte: Man fängt an sich Ziele zu setzen. Kurz- und langfristige Ziele. Und mit den Zielen kommt der Druck. Der wird dann auch ständiger Begleiter. Schaffe ich meine selbstgesteckten Ziele? Erfülle ich die Erwartungen meiner Trainer? Oder die der Zuschauer und Fans? Druck ist auf alle Fälle ein großer Faktor im Leistungssport.

Nübel: Bei mir ist es der Druck, ganz klar. Zunächst innerhalb des Vereins. Als ich in Paderborn die ersten Male mit den Profis trainiert habe, war ich unglaublich nervös. Ich wollte keine Fehler machen. Noch schlimmer war es auf Schalke. Mich kannte niemand, ich kannte alle. Aus dem Fernseher oder von der Tribüne. Alles Top-Stars. Ich wäre am liebsten in der Kabine geblieben. Ich hatte Angst, nicht gut genug zu sein.

Wie geht man mit dieser Situation um? Denn im Wettkampf wird der Druck ja noch grösser.

Nolte: Wichtig ist die mentale Vorbereitung. Ich gehe die zu fahrende Strecke zu Fuß ab, speichere sie in meinem Kopf. Vor dem Rennen visualisiere ich. Ich gehe im Kopf die Bahn in Echtzeit durch und simuliere mit den Händen das Ziehen der Lenkseile. Das ist ein Lernprozess gewesen, aber mittlerweile klappt das auf eine Sekunde genau. Dabei entspanne ich mich. Vorher bin ich beim Physio und lege beispielsweise mein Handy beiseite. Denn auch das Handy stresst. Am Ende sind es Rituale, die den Puls beruhigen.

Nübel: Gegentor ist nicht gleich Gegentor. Ich hasse es grundsätzlich, welche zu bekommen. Aber es gibt die ganz schwierigen Bälle, die 50:50-Situationen und die klaren Patzer. Letztere beschäftigen mich noch zu lange, daran muss ich arbeiten. Am liebsten ist mir, ich habe direkt nach einem Fehler noch ein paar Aktionen und finde dadurch wieder vollends zu mir. Im Spiel versuche ich durch das Coachen der Mitspieler teilzunehmen und fokussiert zu bleiben. Zudem spiele ich lieber in vollen Stadien. Da bekommt man nicht so viel mit und ist schneller im Spiel. In einem leeren Stadion hört man jeden Zwischenruf.

Ihr habt beide auch schon negative Erfahrungen mit Druck gemacht. Wie kam es dazu und was ist geblieben?

Nolte: Ich bin in einem Weltcup-Rennen mit dem Zweierbob gestürzt und dachte sofort: Oh Gott, jetzt hast du alle enttäuscht. In der Aufarbeitung war es eine Verkettung von Ursachen und aus jedem Detail habe ich meine Lehren gezogen. Eine Sportpsychologin hat mir dabei geholfen. Im Nachhinein sind auch solche Erfahrungen wichtig.

Nübel: Ich habe bei einem Spiel mit Schalke in Köln in der Schlussphase gepatzt, nachdem durch meinen Wechsel zu Bayern München sehr viel Druck auf mir lastete. Danach hat mich das ganze Stadion verhöhnt, auch die eigenen Fans. Das war brutal. Aber es hat mir gezeigt, wie wankelmütig die Liebe der Fans sein kann. Auch für mich war es im Nachhinein wichtig, schon mal am Boden gewesen zu sein. Es hört sich vielleicht altklug an, aber man wird schneller reif. Und man wird leider emotionsloser.

Wie sehr beschäftigt ihr euch während des Wettkampfs mit dem Gegner?

Nolte: Früher habe ich, wenn jemand anderes einen super Lauf hingelegt hat, gedacht: Oh Gott, jetzt muss alles passen. Heute bin ich da gelassener. Ich bleibe bei mir, fokussiere mich auf mich selbst. Alles andere lenkt mich nur von meiner eigenen Leistung ab. Auch das sind Lernprozesse. Ich mag es, unterschätzt zu werden. Denn da weiß ich, dass ich positiv überraschen kann.

Nübel: Klar bekomme ich mit, wenn der gegnerische Torwart tolle Paraden zeigt. Aber ganz ehrlich, bevor ich auf den jeweiligen Torwart achte, schaue ich mir lieber die Tribünen an. Dazu kommt man ja während des Spiels normalerweise nicht. Aber ich will wissen, wie es da aussieht, wo der Gesang herkommt. Auch wenn dafür nur wenige Sekunden Zeit ist. Hinterher hat man dann oft das Gefühl: Geil, hier durftest du spielen. Ein Traum wurde wahr.

Wie wichtig ist euer Handwerkszeug?

Nolte: Ich verbringe im Winter viel Zeit mit meinem Bob. Wir haben zwar auch Mechaniker, machen aber noch vieles selbst. Vom simplen Tragen des Bobs, bis hin zum Kufen schleifen, was alleine vier Stunden pro Kufensatz in Anspruch nimmt. Da ich Mono- und Zweierbob fahre, kommt alleine da schon einiges zusammen.

Nübel: Ich bin nicht so empfindlich, was meine Handschuhe anbetrifft. Aber ich möchte kein anderes Modell spielen, als das, was ich derzeit benutze. Ich durfte es selbst mit entwickeln. Leider sind die Torwarthandschuhe sehr empfindlich, so dass ich rund 30 Paar im Jahr verbrauche. Wenn es heftig regnet, schmiere ich sie vor dem Spiel mit Vaseline ein. Dann haben sie besseren Grip.

Was, glaubt ihr, unterschätzt euer Publikum am meisten bei eurem Sport?

Nolte: Wir haben im Grunde ein sehr fachkundiges Publikum. Aber natürlich: Niemand erlebt ein Rennen wie wir selbst. Die Geschwindigkeit (Anm: bis zu 140 km/h), das Adrenalin. Die ganze mentale Vorbereitung auf ein Rennen. Ich glaube, manch einer würde sich das gar nicht erst trauen.

Nübel: Ich würde am liebsten Mal ein paar Zuschauer rauspicken und Flanken mit Gegnerdruck schlagen. Ich glaube, die würden sich wundern, wie schwer es ist, eine Flanke richtig zu berechnen und zu fangen. Wind, Wetter, Ballgeschwindigkeit, Stellungsspiel, Gegner, flattert der Ball oder kommt er gerade… Ich glaube, es sieht von der Tribüne viel leichter aus, als es in Wirklichkeit ist. 

Was nervt euch an eurem Sport?

Nolte: Die Zeit in der Garage, die Mechanikertätigkeiten. Das ist für mich oftmals nervig. Und zeitraubend. 

Nübel: Das Aufstehen nach einer Parade, die ich nicht festhalten konnte. Das kostet jedesmal richtig Kraft. Da bin ich eher bequem.

Vermisst ihr manchmal das „normale Leben“?

Nolte: Natürlich ist man nicht jeden Tag zu 100% motiviert und dann ist es manchmal gut, in einer Gruppe zu arbeiten. Aber ich liebe, was ich mache und alles ist gut, wie es ist.

Nübel: Ich vermisse es schon, am Wochenende nicht mit meinen Freunden auf die Piste zu gehen oder einfach nur spontan sein zu können. Mein Freundeskreis ist mir sehr wichtig und der kommt im Leistungssport definitiv zu kurz. Aber ich bin Profitorwart und ich habe noch Ziele. Das überwiegt.

Esst ihr manchmal Fastfood?

Nolte: Ich bin gar nicht so ein Fastfood-Fan. Meine Schwäche ist eher Schokolade. Aber ich achte schon sehr auf Ernährung und versuche auch Süßes zu vermeiden.

Nübel: Ich esse schon Fastfood. Mal eine Pizza oder einen Burger. Ich würde sagen, zweimal im Monat sündige ich.

Was, glaubt ihr, ist an der jeweils anderen Sportart das Schwierigste?

Nolte: Ich stand in der Schule ein paar Mal im Tor und dachte immer: Wo schießt der jetzt hin? Ich fand es peinlich, wenn ich mich verspekuliert habe. Ich glaube, als Torwart immer die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist das Schwierigste.

Nübel: Beim Bobfahren ist aus meiner Sicht der Druck für Deutschland zu fahren das Schwierigste. Jeder erwartet eine Goldmedaille und man fährt nicht mehr für sich, sondern für eine ganze Nation. Man möchte ja niemanden enttäuschen. Das stelle ich mir schwierig vor.

Steckbrief Laura Nolte
Geboren: 23. November in Unna.
Verein: BSC Winterberg
Erfolge: 2022 gemeinsam mit Anschieberin Deborah Levi Olympiasiegerin im Zweier-Bob, achtmalige Weltcupsiegerin, zweimalige Europacupsiegerin

Steckbrief Alexander Nübel
Geboren: 30. September in Paderborn
Verein: AS Monaco (ausgeliehen vom FC Bayern München)
Erfolge: UEFA-Super-Cup-Sieger 2020, DFL-Supercup-Sieger 2020, Deutscher Meister 2021